Paarung
Das Ziel einer Freilandhaltung sollte die Nachzucht der Pfleglinge sein. Sie ist einerseits der Maßstab für eine artgerechte Pflege und trägt anderseits dazu bei, die natürlichen Bestände zu schonen.
Paarungsbereitschaft wird hauptsächlich durch die veränderten Temperatur- und Lichtverhältnisse ausgelöst. Bereits wenige Tage nach der Winterruhe, werden die Männchen anhand von Duftstoffen aus der Kloake der Weibchen, auf diese aufmerksam. Treffen beide zusammen, beginnt das Werbungsritual. Das Männchen verfolgt dabei das Weibchen auf Schritt und Tritt und beriecht es nun von allen Seiten, danach versucht es durch Bisse in Kopf und Beine dieses Paarungswillig zu machen. Das Ritual wird vereinzelt noch durch Rammstöße untermauert. Je passiver sich das Weibchen verhält, desto schneller kommt es zur Paarung. Manche Weibchen sind in der Wahl des Partners ziemlich wählerisch und zeigen vereinzelt ein enormes Abwehrverhalten, andere wiederum wechseln den Partner häufig. Hat das Männchen nach zahlreichen Versuchen endlich Erfolg, reitet es von hinten auf und es kommt zur Kopulation. Dabei stößt das Männchen oft fiepende Laute aus.
Eiablage
Ab Mai, finden meist die ersten Eiablagen statt. Pro Tier und Jahr sind 2 Gelege als normal zu bezeichnen. Manche Schildkröten legen unter günstigen Voraussetzungen jedoch bis zu 3 mal pro Saison. Das Verhalten der Weiblichen Tiere vor der Eiablage, ist meist etwas merkwürdig. Ich konnte beobachten, dass manche recht träge wirken und oft Tage zuvor kaum noch Nahrung aufnehmen, während andere hingegen bis kurz davor noch ausgiebig fressen. Einige Weibchen verhalten sich wie Männchen und beginnen bei anderen Tieren aufzureiten, was wohl auf ein Dominanzverhalten innerhalb der Gruppe zurückzuführen ist um sich dort Respekt und somit Ruhe bei der Eiablage zu verschaffen. So lässt sich also feststellen, merkwürdiges Verhalten adulter Weibchen, kündigt meist eine Eiablage an.
Die Eiablage findet vorzugsweise am Morgen statt, aber auch am frühen Abend konnte ich schon Ablagen beobachten. Die Tiere sind in der Platzwahl sehr anspruchsvoll und es müssen mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Die Außentemperatur und Luftfeuchtigkeit muss stimmen und der Ablageplatz ( Hügel) sollte die richtige Zusammensetzung haben ( Erd- Sandgemisch im Verhältnis 1:1 ), sonst kann es zu Verzögerungen kommen. Der Boden wird vor der Ablage mehrmals berochen und mit den Vorderkrallen auf Festigkeit geprüft. Hat das Weibchen eine geeigneten Stelle gefunden, so gräbt es nur mit den Hinterbeinen ein Loch. Oftmals finden vorher erst mehrere Probegrabungen statt. Ist das Loch tief genug, beginnt die Eiablage. Dabei muss sich das Weibchen ziemlich anstrengen und drückt durch kräftiges Pressen nach und nach ihre Eier aus der Kloake. Dieser Vorgang kann mehrere Minuten dauern. Die Gelegegröße ist unterschiedlich, normal sind ca.6-9 Eier. Nach dem Legevorgang, fängt das Tier wieder mit Hilfe der Hinterbeine an die Grube zu verschließen. Hier können wir nun eingreifen und die Eier vorsichtig entnehmen. Markierungen an der Schalenoberseite verhindern ein verdrehen des Eidotters. Ich setze sie in bereits vorbereitete Plastikschalen mit Substrat (Seramis), die dann in den Inkubator kommen. Achtung: Einige Tage vor und während der Eiablage sollten die Männchen von den Weibchen getrennt gehalten werden, damit sich die Tiere in Ruhe auf ihre Niederkunft konzentrieren können.
Legevorgang
Testudo graeca ibera beim ausheben der Eigrube. |
Unter großen Anstrengungen presst das Weibchen die Eier aus der Kloake. |
Immer wieder wird die Lage der Eier mit den Hinterbeinen abgetastet. |
Die Eiablage ist beendet, jetzt werden die Eier entnommen. Anschließend wird das Weibchen wieder auf das Loch gesetzt, damit sie ihre Eigrube schließen kann. |
Inkubation
Das Ausbrüten der Eier erfolgt am zielgerechtesten durch einen Inkubator (Brutapparat). Entscheidende Kriterien sind Belüftung, Luftfeuchte, Wärme und die ruhige Lage der Eier in ständig gleicher Position. Zu hohe Luftfeuchtigkeit und Wassertropfen auf dem Ei lassen den Embryo ersticken und das Ei fault oder verschimmelt. Bei zu niedriger Luftfeuchte stirbt der Embryo etwa in der Hälfte seiner Entwicklung ab. Spannungsrisse entstehen durch ein zu großes Gefälle in der Feuchtigkeit zwischen Substrat und Luft. Bei Schildkröten besteht die Möglichkeit, das Geschlecht über die Temperatur zu beeinflussen. Bei Temp. um 31,5°C werden überwiegend weibliche, bei Temp. um 27,5°C überwiegend männliche Tiere schlüpfen. Mit der Höhe der Temperatur, steigt jedoch das Risiko eine geringere Schlupfrate zu erhalten, da die Eier leichter austrocknen können. Ebenso besteht die Gefahr, dass es vermehrt zu Anomalien kommen kann. Die Bruttemperatur wirkt sich auch auf die Zeitigungsdauer aus. Sie kann somit von ca.50 mit Nachtabsenkung der Temp. bis zu 100 Tagen dauern. Der eigentliche Schlupfvorgang aus dem Ei, dauert mehrere Stunden ja oft sogar Tage. Ich bebrüte meine Eier mit ca.32°C bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von max. 85%. Um eine möglichst konstante Wärmeführung zu haben, benutze ich professionelle Inkubatoren der Firma Bruja und Jäger. Die Eier legt man entweder nur auf die mitgelieferten Schaumstoffmatten oder man verwendet ein Substrat um sie besser zu fixieren. (Seramis oder Quarzsand). Um die nötige Luftfeuchte zu bilden stellt man kleine Wasserschalen mit in den Inkubator.
Inkubator der Firma Bruja | Inkubator der Firma Jäger |
Hier die ersten 3 Gelege vom Mai 2001. Insgesamt waren es etwa 50 Eier. | Zur Brutüberwachung gehören Thermometer und Hygrometer. |
Befruchtung
Um eine Befruchtung der Eier festzustellen und die Entwicklung des Embryo zu beobachten, können die Eier mit einer 25 Watt Glühlampe oder einer Taschenlampe durchleuchtet werden. Selbstverständlich dürfen die Eier weder gedreht noch erwärmt werden. Sind die Eier befruchtet, so erkennt man schon nach 2-3 Wochen einen rötlichen Farbton oder es lassen sich die ersten Blutgefäße des Dottersackkreislaufes erkennen. Etwas später erscheint der Keimling als dunkler Fleck.
In manchen Fällen lässt sich eine Befruchtung schlecht erkennen, dann lege ich die Eier auf diesen Durchleuchter. | Ein selbst gebastelter Eierdurchleuchter (Schierlampe) aus Holz. Im unteren Kasten ist eine Glühbirne montiert die durch ein Milchglas scheint. |
Um die Brut jedoch nicht unnötig zu gefährden, sollten die Eier natürlich so wenig wie möglich durchleuchtet werden. |
Bild aus "Die Landschildkröten Europas" von Walter Kirsche. | Embryo von Testudo hermanni boettgeri nach 23 Tagen der Entwicklung bei 30°C. |
Hier sieht man die einzelnen Entwicklungsstufen bei einem durchleuchteten Schildkrötenei. Bild aus"Schildkröten" von Hans-Werner -Rudloff. |
Schlupf
Der Schlupfvorgang kündigt sich zuerst durch Risse in der Eischale an, nach vielen weiteren Stunden drückt der Schlüpfling mit Hilfe des Eizahnes die Schale dann immer mehr nach außen und streckt schließlich als erstes seinen Kopf heraus. Spätestens jetzt, nehme ich kleine Plastikschälchen kleide diese mit einem feuchten Lappen aus und lege die angebrochenen Eier hinein, um die restliche Brut nicht durch Bewegungen zu gefährden. Der Lappen sollte die gesamte Schlupfzeit über schön nass gehalten werden, so dass am Boden kleinere Pfützen entstehen. Dies halte ich nach eigenen Beobachtungen für sehr wichtig, weil die Jungen von Anfang an schon zu trinken beginnen. Bis sich die Schlüpflinge vollständig aus dem Ei gepellt haben, vergeht gut ein ganzer Tag oder je nach Konstitution des einzelnen auch mehr. Die früheste Schlupfzeit unserer Griechen, konnten wir nach 50 Tagen verzeichnen.
Testudo hermanni boettgeri. Schlupfgewicht 12 g. | |
Wenige Stunden alte Griechen. Bereits jetzt, wird schon häufig Wasser aufgenommen. | |
Auch solche Bilder sind kein Grund zur Besorgniss. Der Dottersack, wird meist nach kurzer Zeit fast vollständig resorbiert. |
3 Tage alte Jungtiere
Griechische LS Gewicht 12g. | Maurische LS Gewicht 14g. |
Gleiche Tiere von unten, mit noch sichtbarer Öffnung vom Dottersack.
Unterbringung
Die Jungtiere verbleiben solange im Brutkasten, bis sich der Dottersack zurückgebildet hat und die Bauchdecke fast vollständig geschlossen ist. Dies dauert meist so 1-2 Tage, danach setzt man sie am besten in ein vorbereitetes Frühbeet. Dieser Kasten sollte aber nicht zu groß sein, da die Tiere sonst nur noch sehr schwer aufzufinden sind.
Dieser Frühbeetkasten mist 1x1 Meter und ist für die ersten 2 Lebensjahre ausreichend. Er kann z.B auch später noch ins Freigehege mit eingebunden werden. |
Wer kein Frühbeet hat, kann die kleinen für die ersten Monate im Jahr auch in solch einer Plastikbox halten. Sie kann dann bei schönem Wetter (mit Schutzgitter) am Tage problemlos ins Freie überbracht werden. Das Bodensubstrat (Terrarienerde oder Kokosfaser) sollte immer feucht gehalten werden, da es die Jungen vor dem austrocknen bewahrt. Bei lang anhaltender schlechter Witterung kommen die Schlüpflinge dann wieder ins Terrarium.
Hiermit möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass sich die kleinen Schlüpflinge gerne eingraben und oft Tage lang nicht mehr an die Oberfläche kommen. Das Eingraben entspricht dem natürlichen Schutzverhalten in der Natur, um sich vor Feinden zu verbergen und ist in diesem Zusammenhang ganz normal. Futterpflanzen und Wasser sollten aber dennoch immer zur Verfügung stehen, da sie schon sehr bald zu fressen beginnen. Auch regelmäßiges Baden dient dem Wohlbefinden der Jungtiere.
Solch ein fahrbarer Rollcontainer (Blumentrog) eignet sich für die Unterbringung der Schlüpflinge hervorragend. Er kann durch die Rollen am Boden seinen Standort ständig der Sonne zuwenden. Bei starker Einstrahlung muss der Behälter selbstverständlich im Halbschatten stehen. |
Das Futterangebot der kleinen sollte sich nicht von dem der großen unterscheiden. Es gibt auch keinen Grund Schlüpflinge anders oder gesondert zu behandeln, da sie sonst eher verweichlichen und nicht genügend abhärten. Deshalb ist es wichtig, dass sie die Temperaturunterschiede im Freiland zwischen Tag/Nacht kennen lernen. Also holen Sie die frischen Schlüpflinge nicht gleich in der ersten kalten Sommernacht ins Terrarium, sondern warten Sie erst die nachfolgenden Tage ab. Unsere Tiere kommen z.B erst nach länger anhaltenden Schlechtwetterphasen ins Terrarium und halten auch im ersten Jahr eine Winterruhe.
Größenvergleich
Einjährige Thb Gewicht 62g | 4 Tage alter Thb- Schlüpfling Gewicht14g |
Das Wachstumsverhalten ist natürlich auch von Tier zu Tier verschieden und so zeigen sich bei gleichaltrigen Nachzuchten oft Gewichtsunterschiede von mehreren Gramm. Eine Gewichtstabelle als grobe Richtlinie finden Sie unter der Rubrik Griechen.
Panzeranomalien
Fast jeder der Schildkröteneier ausbrütet, wird früher oder später einmal Tiere mit Panzeranomalien erhalten. Dabei handelt es sich lediglich um kleine Schönheitsfehler meist am Carapax oder Plastron. Nach dem derzeitigen Wissenschaftlichen Stand, liegt dies wahrscheinlich an der hohen Bebrütungstemperatur. Näheres zu diesem Thema ist jedoch noch nicht bekannt. Fest steht, dass Panzeranomalien nicht an den Nachwuchs weitergegeben werden und das solche Tiere auch im späteren Wachstumsstadium keine Gesundheitlichen Nachteile erleiden.
Panzeranomalie der Rückenschilder bei einer Testudo hermanni boettgeri. |